Ein starkes Team entsteht nicht von allein – es braucht gezielte Anstrengungen und eine durchdachte Strategie. Camiel Gielkens, CEO von Schouten & Nelissen, traf sich kürzlich mit Mads Brinks, Geschäftsführer von Cloetta Dänemark, dem führenden Süßwarenunternehmen in Nordeuropa, um sich über erfolgreichen Teamaufbau und nachhaltige Teamentwicklung auszutauschen. In ihrem offenen Gespräch berichten die beiden Führungskräfte von ihren Erfahrungen, unterschiedlichen Führungsstilen und darüber, wie eine offene Feedbackkultur zum Erfolg beiträgt.
Herr Brinks, können Sie Cloetta kurz beschreiben?
Mads Brinks: Wir wurden 1862 gegründet und besitzen heute einige der stärksten Marken auf dem europäischen Süßwarenmarkt, darunter Cloetta, CandyKing, Red Band und Sportlife. Wir haben sieben Produktionsstätten in fünf Ländern und unsere Aktien werden an der Nasdaq in Stockholm gehandelt.
Und was ist mit Relevance (oder Schouten & Nelissen), Herr Gielkens?
Camiel Gielkens: Wir helfen Einzelpersonen, Teams und Organisationen, ihr Bestes zu geben, zum Wohle der Menschen und des Ökosystems um sie herum.
Mads Brinks: Ich muss wirklich üben, das klang großartig, Camiel! Ich muss also hinzufügen: „Wir glauben an die Kraft der wahren Freude", und das ist das Ziel von Cloetta.
Camiel Gielkens: Meine Kinder weigern sich, andere Süßigkeitenmarken zu essen. Sie wollen nur die von Cloetta.
Mads Brinks, lachend: Das klingt nach solider Erziehung!
ERSTE ERFAHRUNGEN
Welche Meilensteine in Ihrem beruflichen Werdegang haben Ihre Persönlichkeit am meisten geprägt?
Mads Brinks: Wenn ich zurückdenke, gab es drei Schlüsselmomente: Mein Eintritt in die Armee als Offizier der Reserve, der Wechsel zu McKinsey als Berater und die Entsendung nach Laos durch Carlsberg als stellvertretender Geschäftsführer für die laotische Biermarke Beerlao.
Camiel Gielkens: Ich hatte das Glück, meine Karriere in der Strategieberatung zu beginnen, was eine wichtige Grundlage war. Später leitete ich die chinesische Abteilung unseres Unternehmens.
Wie hat Ihre Zeit bei der Armee Ihre berufliche Entwicklung beeinflusst, Herr Brinks?
Mads Brinks: In der Armee war ich einer der härtesten Zugführer. Aus einem Haufen junger Männer – von denen die meisten nicht gerade Musterknaben waren – formten wir eine schlagkräftige Einheit mit großartigen Soldaten. Während der Übungen war ich buchstäblich der Gegner meines eigenen Zuges; doch sobald wir zu großen Manövern übergingen, standen mein Zug und ich gemeinsam gegen den Rest der Welt. Diese Männer haben mir eine entscheidende Lektion erteilt. Am Ende ihrer Ausbildung fragten sie mich: „Warum hast du uns nicht gesagt, warum du so hart zu uns bist? Dann hätten wir es besser verstanden.“ Diese Frage hat mich tief getroffen. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich ihnen vom ersten Tag an hätte erklären sollen, wozu die Härte diente und welches Ziel wir verfolgten.
Wie haben Ihre ersten Berufserfahrungen Sie geprägt, Herr Gielkens?
Camiel Gielkens: Ich war mehrere Jahre als Strategieberater tätig und arbeitete anschließend für einen großen multinationalen Konzern. In dieser Zeit habe ich gelernt, präzise zu analysieren, klare Vorschläge zu entwickeln und die Zustimmung vieler Beteiligter zu gewinnen. Herr Brinks, mich interessiert: Was haben Sie aus Ihrer Zeit bei McKinsey mitgenommen?
Mads Brinks: Der Einstieg in die Unternehmensberatung hat mir die Augen dafür geöffnet, wie Führungskräfte kommunizieren. Ich habe gelernt, wie man auf höchster Ebene Einfluss nimmt – welche Argumentationsweisen und Kommunikationsformen wirken und welche nicht. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die richtige Detailtiefe zu wählen, um Führungskräfte zu überzeugen. Außerdem kam ich mit Persönlichkeiten in Kontakt, deren Führungsniveau ich selbst anstrebte. Diese Erfahrungen, zusammen mit meinem Masterstudium, haben mich motiviert, meine eigenen Führungsziele zu definieren.
Sie haben beide Zeit im Fernen Osten verbracht. Wie sehr hat das Ihr Berufsleben beeinflusst?
Mads Brinks: Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich.
Camiel Gielkens: Das kann ich nur bestätigen. Über zehn Jahre habe ich in China gearbeitet – eine Zeit, die meinen geschäftlichen Blickwinkel grundlegend verändert hat. Meine Lernkurve war dort wie ein Hockeyschläger: steil nach oben. Als ich bei Schouten & Nelissen in China begann, war das Unternehmen komplett lokal aufgestellt – sowohl das Team als auch die Kundschaft. Wir stießen jedoch schnell an Grenzen. Also habe ich den Fokus auf internationale Organisationen gelegt und Teams aufgebaut, die sich in Nationalität, Fähigkeiten und Perspektiven unterschieden. Die Wirkung war enorm: Wir wuchsen innerhalb kürzester Zeit jährlich um mehr als 50 %. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen und Unterschiede als Stärke zu begreifen. Zudem läuft in China alles deutlich schneller – und genau dieses Tempo hat mir gefallen.
Haben Sie dieses neue Wissen bei Ihrer Rückkehr nach Europa angewandt?
Camiel Gielkens: Absolut. Als ich aus China in die Niederlande zurückkam, begann gerade die Pandemie. Alles stand still – aber nur kurz. Innerhalb weniger Wochen haben wir unsere Organisation von einem klassischen Anbieter für Präsenztrainings zu einer technologiegestützten Plattform für Online-Learning umgebaut. Diese schnelle Transformation gelang vor allem, weil wir Methoden anwendeten, die ich in China verinnerlicht hatte: ein klares Ziel setzen, experimentieren und erfolgreiche Ansätze schnell skalieren.
Wie hat Ihre Zeit in Laos Ihren Führungsstil geprägt, Herr Brinks?
Mads Brinks: In In Laos habe ich vor allem gelernt, wie wichtig es ist, den kulturellen Kontext zu verstehen. Anfangs habe ich Entscheidungen durchgedrückt, ohne zu merken, dass ich das Vertrauen der lokalen Mitarbeiter nicht gewonnen hatte. Ich musste erst erkennen, dass Meetings dort oft nur dazu dienen, zuvor informell getroffene Entscheidungen zu bestätigen – im Gegensatz zu Europa, wo Besprechungen häufig der gemeinsamen Entscheidungsfindung dienen. Dieses Missverständnis führte zunächst zu Distanz. Ich lernte, dass echter Teamaufbau nur gelingt, wenn Vertrauen vorhanden ist – und ohne Vertrauen entsteht zwangsläufig Misstrauen.
Camiel Gielkens: "Es herrschte ein Enthusiasmus, eine Hitze im Raum, die zu einer Explosion von Ideen und dem notwendigen Raster führte, um Dinge anders zu machen."
EIN STARKES TEAM FORMEN
Sie haben beide viel Erfahrung im Aufbau starker Teams. Was ist Ihnen dabei in punkto Führungsstil besonders wichtig?
Mads Brinks: Der entscheidende Unterschied zwischen militärischer Ausbildung und moderner Teamentwicklung liegt darin, dass wir Menschen ermutigen wollen, sich aus eigenem Antrieb weiterzuentwickeln. In Führungsteams arbeiten ohnehin fähige Personen – meine Aufgabe ist es, sie in Bewegung zu bringen. Ich vergleiche das gern mit einem Auto: Wenn es steht, ist das Lenken schwer. Sobald es rollt, lässt es sich leicht steuern. Motivation ist der entscheidende Impuls, um dieses Rollen zu erzeugen.
Camiel Gielkens: Für mich beginnt der Teamaufbau immer beim Einzelnen. Ich achte auf drei Dinge: Leidenschaft – liebt die Person, was sie tut? Stärken – worin ist sie besonders gut? Und ihren „Nordstern“ – wohin möchte sie beruflich? Wenn ich das weiß, kann ich gezielt unterstützen. Parallel sorge ich für klare Ziele, eindeutige Rollen, offene Kommunikation, Lernbereitschaft und frühe Erfolge, um Vertrauen zu schaffen.
Was funktioniert in der individuellen Förderung gar nicht?
Mads Brinks: Wenn wir als Führungskräfte zu ehrgeizig werden und Teammitglieder überschätzen.
Camiel Gielkens: Könnten Sie das näher erläutern?
Mads Brinks: Ich habe diesen Fehler in der Vergangenheit gemacht. Ich habe Teammitglieder überschätzt. Erst später habe ich gemerkt, dass ich diese Person zum Scheitern verurteilt habe, anstatt sie zum Erfolg zu führen. Wenn man von jemandem erwartet, dass er die Aufgabe A erledigt, und er erwartet auch, dass er sie erledigen kann, weil man ihm versichert hat, dass er sie erledigen kann, dann sind alle enttäuscht, wenn er nur die Hälfte schafft. Wenn wir von den Teammitgliedern erwarten, dass sie alle erforderlichen Fähigkeiten besitzen, sie aber noch nicht ganz so weit sind, müssen die Führungskräfte wachsam sein und dürfen nicht zu selbstsicher werden. Ich habe inzwischen gelernt, das nicht zu tun.
Betrachten wir nun die Teams als Einheiten und nicht als Einzelpersonen. Wie führt man ein ganzes Team zur Höchstleistung?
Camiel Gielkens: Meiner Meinung nach sind zwei Elemente besonders wichtig. Das erste ist, das Team auf die Vision, die Strategie und den Zweck auszurichten. Dann geht es darum, das Vertrauen zu schaffen, dass das Ziel erreichbar ist. Damit das Team wirklich daran glaubt, dass wir es schaffen können! Es geht zunächst darum, sowohl auf rationaler als auch auf emotionaler Ebene eine Verbindung herzustellen.
Mads Brinks: Ich glaube, es beginnt damit, die Identität des Teams zu definieren. Die meisten Teams sind eine Mischung aus verschiedenen Hintergründen und Persönlichkeitstypen, und man muss zunächst eine Grundlage schaffen, auf der man gemeinsam aufbauen kann. In meinem Team ist es zum Beispiel ganz klar, dass wir nie aufhören, uns gegenseitig herauszufordern, uns immer etwas zuzutrauen und nie etwas zu beschönigen, wenn es schwierig wird. Das ist es, wofür wir alle stehen. Das bedeutet auch, dass wir uns gegenseitig in die Augen schauen und sagen können, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen: „Das ist nicht gut genug, was sollen wir tun? An diesem Punkt gerät niemand in die Defensive, denn wir haben das Vertrauen aufgebaut, das notwendig ist, um sehr offen und direkt mit jeder Art von Feedback umzugehen.
Wie schafft man als Führungskraft ein solches Vertrauen in einem Team?
Mads Brinks: Vertrauen entsteht nicht über Nacht – es braucht Zeit. In Europa starten wir dabei oft mit einem vergleichsweise hohen Grundvertrauen, gerade im Vergleich zu vielen Organisationen in den USA. Wichtig ist, schwierige Gespräche zunächst im vertraulichen Rahmen zu führen, um sicherzustellen, dass alle an Bord sind. Erst dann beginnt der eigentliche Teamaufbau. Bei Cloetta haben wir dafür mehrere Workshops durchgeführt, die von Herrn Gielkens und Relevance speziell für unser Team entwickelt wurden. Sie boten uns einen geschützten Raum, um auch die herausfordernden Seiten unserer individuellen Ziele und unserer gemeinsamen Teamziele offen anzusprechen. Das verlangte ein hohes Maß an Offenheit und Verletzlichkeit. Mit der Zeit wurde uns klar: Wir stärken uns gegenseitig den Rücken – nicht nur, weil wir gemeinsam das Unternehmen führen, sondern weil wir ein tiefes emotionales Vertrauen zueinander aufgebaut haben. Genau dieses Vertrauen gibt uns die Sicherheit, die wir brauchen, um unsere Ziele zu erreichen.
Camiel Gielkens: Gemeinsam definierte Teamwerte schaffen Identität, Zugehörigkeit und Vertrauen. Sich gegenseitig zu fordern und auch einmal kritisch zu hinterfragen, ist ein zentraler Teil dieser Entwicklung. Jede Frage ist willkommen – solange Feedback im Geist dieser Werte gegeben und angenommen wird. Ein entscheidender Faktor ist die psychologische Sicherheit: Jedes Teammitglied muss sich wertgeschätzt und sicher fühlen, um offen aussprechen zu können, was es wirklich denkt. Das gelingt nur, wenn alle auf Augenhöhe behandelt werden. Denn sobald sich jemand im Team unwohl oder minderwertig fühlt, beginnt das Fundament des Vertrauens zu bröckeln.
Was kann sonst noch die Teamleistung untergraben?
Camiel Gielkens: Wenn ich ehrlich auf meine eigene Karriere zurückblicke, habe ich in der Vergangenheit dazu geneigt, die Teamleistung durch Micromanagement zu untergraben. Ich habe meinem Team keine Eigenständigkeit zugestanden, und ich habe zu viel gefordert, ohne selbst offen zu sein. Diese schlechte Angewohnheit musste ich mir abgewöhnen. Und obwohl Beziehungen wichtig sind, ist nichts wichtiger als das, was man gemeinsam als Einheit erreicht.
Was waren die Höhepunkte in Ihrer gemeinsamen Arbeit?
Mads Brinks: Da gab es viele Höhepunkte, um ehrlich zu sein. Vor allem aber die Erkenntnis in unserem Team, dass ständige Weiterentwicklung und die Bereitschaft, sich selbst immer wieder herauszufordern, essentiell sind. Und dass wir trotz unserer individuellen Erfolge alle noch unglaublich viel zu lernen haben. Das ist eine Einsicht, die ich erst relativ spät in meinem Leben gewonnen habe: Je mehr ich weiß, desto mehr wird mir bewusst, wie wenig ich eigentlich weiß. Durch die Zusammenarbeit mit Relevance haben wir eine echte Reise der kontinuierlichen Verbesserung gestartet. Die Welt verändert sich heute in atemberaubendem Tempo – wenn wir auch nur für einen Moment innehalten, sind wir schnell abgehängt. Und auch wenn es vielleicht etwas überheblich klingt: Der von uns gemeinsam in der Führungskräfteentwicklung kreierte Ansatz war vielschichtig und wirkungsvoll. Dank Herr Gielkens klarer Expertise konnten wir individuelles Lernen fördern, dann Teamlernen vorantreiben – und haben dabei stets an einem sehr konkreten Ziel gearbeitet: unserem Strategieplan.
Camiel Gielkens: Ich erinnere mich noch gut, wie in den ersten Sitzungen alle erwartungsvoll auf Sie, Herr Brinks, schauten, um die Führung zu übernehmen. Doch das änderte sich bald grundlegend. Im Raum entstand eine spürbare Energie, die eine Explosion von Ideen und die nötige Struktur hervorbrachte, um Dinge wirklich anders anzugehen. Gemeinsam machten wir die Herausforderungen greifbar und dringend, indem wir einen Plan entwickelten, der realistische, erreichbare und konkrete Ziele enthielt. Wenn ich heute an diese Sitzungen zurückdenke, sehe ich, dass wir eine Atmosphäre konstruktiver Konflikte geschaffen haben. Diese förderte eine dynamische Zusammenarbeit, bei der wir uns immer wieder gegenseitig herausforderten und so die Stärken jedes Einzelnen bestmöglich nutzten.
Mads Brinks: "Ein stehendes Auto zu lenken ist mühsam, doch sobald es in Fahrt ist, lässt es sich viel leichter steuern. Die Motivation der Teammitglieder ist der Schlüssel, um diese Bewegung in Gang zu bringen."
WIE KÖNNEN FÜHRUNGSKRÄFTE FEEDBACK FÖRDERN?
Wie können Sie als Führungskraft ehrliches Feedback von Ihren Teams fördern?
Camiel Gielkens: Zurst um Feedback bitten, dann schweigen und wirklich zuhören. Sobald das Feedback angekommen ist, sollte das Verhältnis von „Handeln“ zu „Reden“ deutlich zugunsten des Handelns ausfallen. Zeigen Sie, dass Sie das Gesagte wertschätzen, und setzen Sie es konsequent in die Tat um.
Mads Brinks: Das erinnert mich an einen Grundsatz von McKinsey: die „Verpflichtung zum Dissens“. Das bedeutet, wenn Ihnen etwas auffällt, das anders laufen sollte, ist es nicht einfach nur erlaubt, das anzusprechen – es ist Ihre Pflicht, Ihre Sichtweise klarzumachen. Ich bin überzeugt, dass Menschen dadurch motiviert werden, wenn Dissens als Verantwortung verstanden wird, denn so entstehen bessere Ergebnisse. Gleichzeitig müssen wir als erfahrene Führungskräfte dafür sorgen, dass sich alle gehört fühlen und niemand ausgeschlossen wird, sonst funktioniert dieses Prinzip nicht. Wir müssen Dissens aktiv fördern.
Camiel Gielkens: Für mich ist es eine Erleichterung, gutes Feedback zu bekommen. Es bedeutet, dass sich die Leute kümmern, und an der Spitze kann es einsam sein. Ehrliches Feedback ermöglicht es mir, zu wachsen.
Mads Brinks: Ich weiß jetzt, dass ich bei meiner Arbeit viel leisten kann und trotzdem viele Fehler mache. Denn, um Mario Andretti zu zitieren: „Wenn du denkst, dass du die Kontrolle hast, fährst du definitiv nicht schnell genug". Außerdem beweist das ehrliche Feedback meines Cloetta-Teams, dass unsere Organisation sich genug um unsere Arbeit kümmert, um konstruktive Kritik zu üben. Ich betrachte das als Kompliment.
Über Mads Brinks1994 - Zugführer der dänischen Armee |
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Über Camiel Gielkens1993 - Studium der Wirtschaftswissenschaften u. a. an der Neyenrode Business University |
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